Ohne Fiebertest kein Zutritt aufs Firmengelände – zum Einsatz kommen Software und Kameras aus China

An acht Eingängen wird ab Mittwoch sämtlichen Angestellten der Flugzeugwerke Pilatus automatisch die Körpertemperatur gemessen. So will die Firma die Gesundheit der Mitarbeiter schützen. Doch es stellen sich datenschutz- und arbeitsrechtliche Fragen.

Über mangelnde Aufträge kann sich Ali Farhat, Geschäftsführer der Firma Aptex, seit Beginn der Corona-Krise nicht beklagen. Gefragt ist zurzeit jedoch nur ein Produkt aus dem Sortiment: «KI-basiertes Fieber-Screening zum Nachweis von Covid-19», wie es auf der Website des Sicherheitsunternehmens mit Sitz in Zürich angepriesen wird. «Wir erhalten pro Tag mehrere Anfragen von Firmen aller Grössen. Aber auch öffentliche Institutionen wie etwa Schulen, wo viele Personen ein und aus gehen, interessieren sich für unser System», sagt Farhat. Dieses misst mit einer Wärmebildkamera, ob eine Person erhöhte Temperatur hat, und wertet die Ergebnisse mit künstlicher Intelligenz (KI) aus.

Ein Unternehmen, das im grossen Stil auf Fieber-Screening setzt, sind die Pilatus-Flugzeugwerke. Am Hauptsitz in Stans (NW) wird am Mittwoch, dem 12. August, eine neue Sicherheitsanlage in Betrieb genommen. Sämtliche 2200 Mitarbeiter müssen am Morgen eine von acht Schleusen mit Messterminals passieren, an denen die Körpertemperatur gemessen wird. Beim Eintritt werden Pilatus-Mitarbeiter zudem fotografiert. Das Prozedere dauert dank modernster Technologie nur eine Sekunde. Die Mitarbeiter wurden über die Massnahme vorab informiert.

Arbeitsverbot im Verdachtsfall

«Mitarbeitende, bei welchen das System eine erhöhte Körpertemperatur angibt, werden individuell und präziser nachgemessen. Wird die Messgrenze erneut überschritten, darf die Person das Gelände nicht betreten», beschreibt Pilatus-Mediensprecher Jérôme Zbinden das Vorgehen. Die Grenze liegt bei einer Körpertemperatur von 37,7 Grad. Wer die Messung verweigert, muss ebenfalls nach Hause gehen. «Der Schutz beziehungsweise die Gesundheit aller anderen Mitarbeitenden steht über dem Interesse eines einzelnen Mitarbeitenden», so Zbindens Begründung.

Pilatus ist nicht das einzige Unternehmen. Der Lebensmittelkonzern Unilever testet seit längerem sämtliche Mitarbeiter an den Standorten Thayngen (SH) und Steinhausen (ZG) auf erhöhte Körpertemperatur. Auch hier kommen sukzessive automatische Systeme zum Einsatz. Unilever zeichnet weder Bilder noch Körpertemperaturen auf. Bei den Pilatus-Flugzeugwerken werden die Temperaturangaben für eine gewisse Zeit gespeichert. Dort wird die individuelle Nachmessung durch den Gebäudesanitäter vorgenommen, um sicherzustellen, dass die Intimsphäre der Angestellten nicht verletzt wird. Um potenziell mit Sars-CoV-2 infizierte Personen fernzuhalten, werden beim Stanser Flugzeughersteller auch sämtliche Besucher und Kunden automatisch getestet, bevor sie das Fabrikgelände betreten dürfen.

Pilatus setzt allerdings nur eine abgespeckte Version des Fieber-Screenings ein. Auf Wunsch können die Kunden das Aptex-System mit weiteren Anwendungen verknüpfen. So ist es möglich, dass beim Sicherheitsdienst automatisch ein Alarm per SMS oder E-Mail ausgelöst wird, wenn jemand mit Fieber das Gebäude betritt. Wird eine Person mit erhöhter Temperatur von der Wärmebildkamera identifiziert, sendet das System eine Warnung. Informationen wie Standort und Foto der Person sind sofort verfügbar. «Wenn die Mitarbeitenden ihre Zustimmung geben, kann unser System automatisch Black Lists und White Lists generieren und damit den Zugriff gewähren oder nicht», sagt Farhat. Kleinere Firmen mit 30 bis 40 Angestellten würden diese weitgehende Automatisierung bereits anwenden.

Fieberscans sind nur bedingt sinnvoll

Laut den Empfehlungen des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Edöb) von Mitte März ist die Bearbeitung von Gesundheitsdaten durch Private zulässig, wenn diese «mit Blick auf die Verhütung von weiteren Ansteckungen nötig und geeignet» ist. Ob dies bei Fieber-Screenings der Fall ist, ist umstritten. Die Covid-19-Task-Force des Bundes kam im April zum Schluss, dass Fieberscans nur bedingt sinnvoll seien. Weil viele Infizierte keine Symptome – also auch keine erhöhte Körpertemperatur – zeigten, würden nur die wenigsten Fälle entdeckt. Das führe zu einem falschen Sicherheitsgefühl. Wenn ein Temperatur-Screening durchgeführt werde, sollten auch andere Symptome wie trockener Husten, Halsschmerzen, Kurzatmigkeit oder Muskelschmerzen abgecheckt werden, empfahl die Task-Force damals. Der Edöb spricht sich aber nicht generell gegen automatische Fieber-Screenings aus.

Isabelle Wildhaber, Professorin für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität St. Gallen, erachtet eine generelle Pflicht zur Messung der Körpertemperatur bei Betreten des Firmengeländes auch aus arbeitsrechtlicher Sicht als grundsätzlich zulässig. Allerdings dürfe die Massnahme nicht diskriminierend sein – was dann der Fall wäre, wenn die Anordnung nicht für alle Personen gleichermassen gelten würde. Ausserdem müsse der Persönlichkeitsschutz der betroffenen Arbeitnehmer respektiert werden: «Vielleicht kann im Messbereich mit einer Schleuse oder einem Vorhang für Diskretion gesorgt werden, damit die Geheimhaltung des Messergebnisses gegenüber anderen Mitarbeitenden gewahrt bleibt.» Die Speicherung der Daten während 14 Tagen, wie sie Pilatus praktiziert, hält Wildhaber für unproblematisch.

Laut Wildhaber sind sogar Konstellationen denkbar, in denen der Arbeitgeber zum Schutz seiner Angestellten dazu verpflichtet werden könnte, die Körpertemperatur zu erheben – beispielsweise, wenn im Betrieb schon Fälle aufgetreten sind. Das müsse aber im Einzelfall geklärt werden. Ordnet der Arbeitgeber an, dass Personen ab einer bestimmten Körpertemperatur nicht zur Arbeit erscheinen dürfen, muss er den Lohn laut Wildhaber dennoch weiter bezahlen. Dies jedenfalls dann, wenn den Arbeitnehmer selber keine Schuld trifft. Mitverantwortung trüge dieser beispielsweise dann, wenn das Fieber auf eine Reise in ein Risikogebiet zurückzuführen wäre.

Auch dürfen Tage, die der Arbeitnehmer auf betriebliche Anordnung de facto arbeitsfrei zu Hause verbringen muss, nicht gegen dessen Willen vom Feriensaldo abgebucht werden. Pilatus erklärte gegenüber der NZZ, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nach Hause geschickt würden, benötigten nach drei Tagen ein Arztzeugnis. Laut Mediensprecher Konstantin Bark erhalten bei Unilever Arbeitnehmer, die wegen Fiebers nach Hause geschickt wurden, «selbstverständlich Lohn».

blankQuelle: NZZ – Erich Aschwanden, Daniel Gerny
https://www.nzz.ch/schweiz/schweizer-firmen-testen-mitarbeiter-auf-fieber-zum-einsatz-kommen-kuenstliche-intelligenz-und-kameras-aus-china-ld.1570625?reduced=true

Gesamtausgabe: Neue Zürcher Zeitung_2020-08-12
https://www.aptex.ch/wp-content/uploads/2020/08/Gesamtausgabe_Neue_Zuercher_Zeitung_2020-08-12.pdf

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